"Posttraumatische Belastungsstörungen"

"... wenn nicht verarbeitbare belastende Ereignisse, bzw. Erlebnisse zu einem seelischen Schock und in weiterer Folge zu seelischen Erkrankungen führen" Dr. Weiskopf

Posttraumatische Belastungsstörungen, oder wenn nicht verarbeitbare belastende Ereignisse,  bzw. Erlebnisse zu einem seelischen Schock und in weiterer Folge zu seelischen Erkrankungen führen. ( Zusammenfassende Gedanken eines Vortrages über seelische Traumatisierungen, vom 23. 04 2001, sowie Auszüge eines Artikels von Luise Reddemann und Ullrich Sachsse, Persönlichkeitsstörungen 1997, Heft Nr. 3 )

Meinen Ausführungen möchte ich ein Gedicht von Erich Fried voranstellen:


Die Leiden

 
Der leidet an seinem Reichtum
Und der leidet an seiner Macht
Ich leide an meinem Mitansehn
Wie der Tag an der Nacht

 Der leidet an seiner Liebe
Und der an seiner Not
Ich leide an meinem Drandenkenmüssen
Wie das Leben am Tod

 Der leidet an seiner Habsucht
Und der an seiner Lust
Ich leide an meinem Nichthelfenkönnen
Wie das Herz an der Brust


Ein traumatisches Ereignis wird als „ ein belastendes Ereignis,  oder eine Situation außergewöhnlicher Bedrohung, oder katastrophenartigen Ausmaßes, die bei fast jedem eine tiefe Verstörung hervorrufen würde“, definiert.

Allgemein betrachten wir heute aggressive Misshandlungen, sexuelle Gewalt, Verlust eines Elternteiles oder naher Bezugspersonen, lebensbedrohliche Gewalterfahrungen, Unfälle, Naturkatastrophen, direkt erlebte Kriegshandlungen, oder Terroranschläge als seelische -traumata, als Ereignisse also, „ die bei fast jedem eine tiefe Verstörung hervorrufen würden“.

Diese Sichtweise ist nicht selbstverständlich. Es ist geschichtlich belegt, dass solche Erfahrungen in früheren Zeiten durchaus nicht außergewöhnlich waren. Viele Menschen durchlebten früher eine Zeit , die wir heute als traumatisch bezeichnen würden: Voller Lebensgefahr durch Kriege und Feinde, aber auch Bedrohungen durch eigene Angehörige, voller Gefahr für aggressive Misshandlungen und sexuellem Missbrauch, stets bedroht durch tödliche Erkrankungen, Verletzungen und Naturkatastrophen.

Traumatisierungen waren früher sicher alltäglicher als heute in unserer westlichen Kulturgemeinschaft. Und dann müssen wir entsetzt zur Kenntnis nehmen, dass unsere kulturellen Nachbarn – Serben, Kroaten, Albaner, Christen und Moslems- in einen mehrjährigen Bürgerkrieg verfallen, in dem systematische Traumatisierungen wie KZ- ähnliche Lagerhaft, Folter, Vergewaltigung, Massaker und Terror jahrelang zum Alltag werden.

Unsere Geschichte ist also eine Geschichte der Traumatisierung von Menschen durch Menschen, von Völkern durch Völker.

Da verwundert es nicht, dass es lange Zeit als höchst fragwürdig galt, ob sich Traumatisierungen auf stabile, gesunde „normale“ Menschen überhaupt dauerhaft schädlich auswirken oder nicht.

Vielleicht bedurfte es einiger Jahrzehnte Frieden in weiten Teilen der Welt, damit sich eine Auseinandersetzung mit der Geschichte, als Traumatisierungsgeschichte überhaupt entwickeln konnte.

Vielleicht bedurfte es auch kollektiver Traumatas wie den Holocaust, oder der Bomben auf Hiroschima oder Nagasaki, sowie der Terroranschläge und Naturkatastrophen der letzten Zeit, um die Menschheit zu zwingen, anzuerkennen, dass es Umgangsformen von Menschen mit Menschen gibt, die dauerhaft schädigen.

Letztlich waren es dann die Vietnam- und Golfkriegveteranen und ihre therapieresistenten posttraumatischen Belastungssyndrome einerseits und zeitgleich die feministischen Forschungen zum Auftreten sexueller Gewalt in der Gesellschaft und zur Ausbildung seelischer Störungen nach Vergewaltigung und Missbrauch in der Kindheit andererseits, die Mitte der achziger Jahre zu einer völligen Neubewertung von Traumatisierungen und ihren möglichen Folgen geführt haben.

Wir erleben in Therapien oft, dass Menschen, die ein schweres seelisches Trauma erlebten ( als Betroffene,  Beobachter, oder Helfer) sofort, oder verzögert (im Verlauf eines halben Jahres nach dem Trauma) mit recht typischen Symptomen reagieren.

Die häufigsten Symptome sind plötzliches Wiedererinnern und Wiedererleben (flash backs) der belastenden Ereignisse, sowie bewusstes Vermeiden von Aktivitäten, Orten und Menschen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen.

Es entwickeln sich Schlafstörungen, eine erhöhte Reizbarkeit, Wutausbrüche, Konzentrationsschwierigkeiten und eine allgemeine Übererregung – der Mensch befindet sich in einer dauernden Alarmbereitschaft.

Unbehandelt entwickeln sich im weiteren Verlauf sehr häufig zusätzliche psychische Erkrankungen wie Depressionen, Panikattacken und Suchtmittelmissbrauch.

Die therapeutischen Maßnahmen sollten so früh als möglich nach der Traumatisierung einsetzen, da eine erfolgreiche Krisenintervention die Entwicklung einer posttraumatischen Belastungsstörung verhindern kann. Sobald sich das „Vollbild“ einer posttraumatischen Belastungsstörung entwickelt hat, ist eine psychotherapeutische und oft auch medikamentöse Behandlung notwendig und unumgänglich.

Dem traumatischen Ereignis muss ein sinnvoller Platz in der eigenen Lebensgeschichte eingeräumt werden, damit das psychische  Schockerlebnis letztendlich bewältigt werden kann.

Nicht jedes Trauma führt zu einer posttraumatischen Belastungsstörung. Es zeigen jedoch 55 % der Vergewaltigungsopfer, 40 % der Menschen mit Kriegserfahrungen, 35 % der Menschen mit Misshandlungen in der Kindheit, 8 % der Unfallopfer und 5 % der Menschen, die eine Naturkatastrophe erlebten, die Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung.

Wenn man sich diese Prozentzahlen vor Augen hält, kann man vielleicht abschätzen , wie viele Menschen unter uns, unter seelischen Schmerzen leiden, ohne bisher eine entsprechende Behandlung erhalten zu haben.

Der erste Schritt diese Leiden zu lindern wäre, über die Thematik der Traumatisierung zu reden und informieren, sich mitzuteilen und damit die Enttabuisierung zu beginnen.

 

Autor: Dr. Elmar Weißkopf
Bahnhofsstraße 1
A-6840 Götzis

 

Links zum Thema:

 

 http://www.lkh.at

http://vol.at/psychotherapie

http://www.psychotherapie.at

http://team.solution.de/gsf/kuckuck/index01.html

 

 

 

Ehlers, Anke: „ Posttraumatische Belastungsstörung. Fortschritte der Psychotherapie“ -HOGREFE-VERLAG- ISBN: 3-8017-0797-0,

Ehlers, Anke: „ Posttraumatische Belastungsstörung. Fortschritte der Psychotherapie“ -HOGREFE-VERLAG- ISBN: 3-8017-0797-0,

Herbert, Martin „Trainings für Eltern, Kinder und Jugendliche.“ Die Erinnerung an die Katastrophe, und wie Kinder lernen, damit zu leben. HUBER, BERN 1999 ISBN: 3-456-83219-2

Herbert, Martin „Trainings für Eltern, Kinder und Jugendliche.“ Die Erinnerung an die Katastrophe, und wie Kinder lernen, damit zu leben. HUBER, BERN 1999 ISBN: 3-456-83219-2

Hrsg. v. Philip A. Saigh  Posttraumatische Belastungsstörung: Diagnose und Behandlung psychischer Störungen bei Opfern von Gewalttaten und Katastrophen. HUBER, BERN- ISBN: 3-456-82593-5

Hrsg. v. Philip A. Saigh Posttraumatische Belastungsstörung: Diagnose und Behandlung psychischer Störungen bei Opfern von Gewalttaten und Katastrophen. HUBER, BERN- ISBN: 3-456-82593-5