"Entlang der Stille"

Entlang der Stille das Leben als Abenteuer entdecken – Eine Erfahrung einer Mitarbeiterin der Vorarlberger Telefonseelsorge

Entlang der Stille das Leben als Abenteuer entdecken
Eine Erfahrung

 

Bei den Worten Sommer, Ferien, Erholung denken wir an Faulenzen, Natur, Sport usw.
Ich habe mich in diesem Sommer aus diesem Programm ausgeklinkt. Zurückgezogen. Eine Woche in Schweigen und Stille verbracht.
Ob es eine Sehnsucht gibt, die mich in diese Stille zieht, hat mich jemand gefragt.

Darauf möchte ich antworten, indem ich von einer Erfahrung erzähle. Zuvor noch: Ja, es macht für mich tiefen Sinn, mich freiwillig der Stille auszusetzen und auf das zu hören, was sich in diesen Räumen des Schweigens mitteilt. Jeden Tag zieht mich die Sehnsucht nach der Erfahrung von Tiefe und Sinn in meinem Leben wenigstens eine halbe Stunde in einen stillen Raum. Das ist Zeit für mich, Wohltat, aber auch Herausforderung, da ich mich in dieser Zeit ungeschminkt meiner Lebens-Wahrheit stelle.

Diesen Sommer durfte ich mich also für eine Woche in ein „Haus der Stille“ zurückziehen. Benediktushof - „Zentrum für Spirituelle Wege“ - ist ein ehemaliges Benediktinerkloster, eine halbe Autostunde von Würzburg entfernt. Dort haben Willigis Jäger, Zen-Meister, Kontemplationslehrer und Benediktiner, seine Weggemeinschaft und inzwischen viele Menschen Heimat gefunden.

Dort angekommen spüre ich, dass schon allein das Gebäude Stille atmet. Die Mauern sind schützend da. Auch die Einrichtung drängt sich nicht auf, sondern lädt ein bei sich selbst zu bleiben. Alt und neu leben von einander. Ein guter Geist, den dieser Ort ausstrahlt, im Einklang mit den Menschen die hier sind. Ob als Angestellte, als Besucher, als Kursteilnehmer, jede und jeder ist lebendiger Raum, der die Einladung auszusprechen scheint: Hier darfst du ganz einfach Da-sein. 120 Menschen lassen sich in einem Kurs eine Woche lang darauf ein.

Der große Raum in dem wir die meiste Zeit „Sitzen“ ist leer. Wie jede bekomme ich eine Matte, ein Meditationskissen (oder einen Hocker bzw. ein Bänkchen). Darauf darf ich mich niederlassen.
In den Tagen des schweigsamen Sitzens und Gehens ist das vorgegebene Tempo mein eigener Atem.
Einatmen - Ausatmen. Vom Körper gehe ich aus und dahin komme ich zurück, wenn Gedanken sich festsetzen möchten. Ausatmen – Einatmen. Nicht mehr - aber auch nicht weniger.
Und ich darf erleben, wie ich alle Geräusche mehr und mehr höre, nicht bloß erhasche. Den Summton in meinem Ohr in gleichem Maß wie die inneren Lautstärken, die die Gedanken machen. Auch die Geräusche im Raum und die von draußen, werden nicht ausgeblendet. Auch sie dürfen da sein. Genau wie jede und jeder hier.

Manchmal treten die Geräusche zurück und mir tut sich ein weiterer Raum auf: ich höre die schweigsame Seite der Geräusche. Dieser stille Raum wird mit den Stunden und Tagen größer. Manchmal macht mich das weit, lässt mich aufatmen. Eigentlich habe ich kein Wort für das Wunderbare an diesem Geschehen. Aber manchmal beengt mich dieser Raum und das was ich Lange-Weile nenne taucht auf. Wiederum: beides darf sein.
Dieser Raum der Stille hat eine große Bewegung schaffende Kraft. Etwas entsteht das sich anfühlt wie Gelassenheit. Das ganze Leben in großer Stille. Ein Geschenk für das ich dankbar bin.

Das Anschlagen der Klangschale, der Klang des Gongs, das Rezitieren der meditativen Texte, das Gespräch mit dem Meister, die Meditation im Gehen; all das weist von Zeit zu Zeit den Weg vom Sitzen und Schweigen in die Bewegung und in die Sprache zurück.
Für jeden Tag ist wohl als Brücke zum Alltag auch eine Zeit der schweigsamen Arbeit vorgesehen: Wie aufmerksam kann ich beim Reinigen der Sockelleisten im Flur bleiben?
Auch während der Mahlzeiten und Tee-Pausen besteht die Einladung schweigend präsent zu sein. Das öffnet alle Sinne: Riechen, Schmecken, Spüren, Schauen, Lauschen. Und jede dieser Übungen eröffnet Achtsamkeit.

Zum Abschluss jeden Tages ertönt eine Glocke und die Leiterin spricht einen Vers, den ich als Zusage aufnehme:

Mögen alle Wesen, die diese Glocke hören
Heil und Trost erfahren in ihrem Leid
und Frieden finden in ihrem Leben.

Diese Worte treffen das, was ich wahrnehme und in meinen Alltag mitnehme. Und vielleicht berührt der Text die Sehnsucht, die mich immer wieder neu aufbrechen lässt.

Ich frage mich was andere Menschen in diesem Sommer gefunden haben? Welche Namen es noch gibt für die Sehnsüchte, die Menschen aufbrechen lässt?

Verfasserin dieses Artikels ist eine Mitarbeiterin
der Telefonseelsorge

 

 

 

Links zum Thema

 

www.benediktushof-holzkirchen.de
Zentrum für Spirituelle Wege
Beachten Sie auch die Links auf dieser Homepage!

www.gratefulness.org (Englisch)
Eine Webseite die zur Achtsamkeit führt

 

 

„Die Welle ist das Meer“ Willigis Jäger, Herder, Freiburg  2000, ISBN: 3451050463

„Die Welle ist das Meer“ Willigis Jäger, Herder, Freiburg 2000, ISBN: 3451050463

Steinturm am Fluß

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