"Beschreibung einer Geliebten" und weitere Gedichte

Hertha Kräftner 1928 - 1951

Beschreibung eines Geliebten

 
Ein Fremdling unterm Weidenbaum, nur mir vertraut.
Dürstendes Tier, immer zitternd vor Unruh und Stärke.
Träume - wandeln durch sein schwarzes Blut -
wissen nichts von seinem Hirn;
nur sein Gefühl ahnt manchmal eine Treppe bis zum
Mond.
Ausgesetzt jener Liebe, die die Einsamen haben:
das Herz sich zu durchbohren
und aufzufädeln auf ein Haar,
das die Geliebte in der Leidenschaft verlor.
Und immer hungernd nach dem bitteren Geschmack
von gelben Blumen, verloren vor der Zeit.
Verirrte Bilder hinterm Lid...
Und manchesmal schreckt er sich süß vor einem Wort,
das andere ihm sagen, weil er darinnen spürt,
wie alles ihn vertreibt.
Dann tastet er nach einem Weidenbaum,
nur mehr vertraut der Trauer. Nicht mehr mir.


Dein Traum

 
Hinter deinen Lidern hing ein Traum.
Der ruhte lange dort ... bis er zum Saum
der Wimpern niedersank,
wo er sich noch einmal fing
und ihre Süße trank,
eh er mit sich geschehen ließ,
daß ihn dein Wimperzittern auf deine Wange fallen hieß,
und er als Lächeln über deine Lippen ging.

 

Selbstbildnis

 
Die Stirne Einsamkeit,
beschattet durch den Fall der Haare,
zuweilen im Gesenktsein von Verworrenheit
bedeckt und leidend
an der Ungestalt der frühen Jahre.
Die Brauen aber schon in Klarheit,
in ihrer Schwärze manchmal fremd
den blassen Wangen,
der Bogen oft mit Sehnsucht sehr behangen,
und manchmal wie von Zärtlichkeit überschwemmt.
Die Augen wie von Abenden verhüllt,
der Blick bekannt mit ungeschauten Dingen,
bisweilen aber blau erfüllt,
wenn ihm die Tage nicht gelingen.
Die ungenauen Lippen aber singen
nicht alles, das die Welt an sie vergibt.
Gesicht des Widerspruchs von dicht und lose,
verstreut an Augenblicke, die es liebt,
und so, als ging es schmal ins Ausweglose,
von dem es weiß, daß es besiegt.

 


Weitere Infos:

 

Hertha Kräftner ( 1928-1951 )

 

 Hertha Kräftner, geboren am 26. April 1928 in Wien. Kindheit, Kriegsende im Burgenland. 1946/47 Studienbeginn in Wien; 1948 erste Gedichtveröffentlichung in Lynkeus; 1949 Norwegenreise, Arbeit an einer Dissertation: »Stilprinzipien des Surrealismus, nachgewiesen an Franz Kafka«; 1950 Zugang zu literarischen Zirkeln (Weigel, Artmann), Veröffentlichungen in Neue Wege, Publikationen und Stimme der Gegenwart; 1951 wachsende öffentliche Beachtung, Parisaufenthalt. Am 13. November 1951 Freitod in Wien.
»Warum hier? Warum heute?« (Hrsg. Otto Breicha und Andreas Okopenko, Graz 1963, 1977 (Eisenstadt); Arbeiten von H. Kräftner wurden vertont (Kölz/Rühm), regten Künstler (u. a. Staudacher) und Schauspieler an. 

 

 

 

Hertha Kräftner

Hertha Kräftner

Kühle Sterne, Broschiert - Suhrkamp, Erscheinungsdatum: November 2001, ISBN: 3518397990

Kühle Sterne, Broschiert - Suhrkamp, Erscheinungsdatum: November 2001, ISBN: 3518397990